Sascha Hildmann: „Es darf keine Absteiger geben“

Sascha Hildmann: „Es darf keine Absteiger geben“

8. April 2020 1 Von Carsten Schulte

In seiner Heimat Enkenbach-Alsenborn feierte Preußen-Trainer Sascha Hildmann am Dienstag einen eher ruhigen Geburtstag. 48 Jahre alt wurde der Pfälzer, in Ermangelung einer großen Party blieb es dann beim Grillabend mit Frau und Tochter. „Dafür kamen aber extrem viele Glückwünsche“, so Hildmann amüsiert. Vielleicht, weil alle derzeit viel Zeit haben und zudem den Kalender ständig im Blick.

Hildmann ist derzeit ja ebenso zur „Heimarbeit“ verdammt wie alle Fußballprofis und viele, viele andere. „Ich versuche, das Beste daraus zu machen“, so der Trainer im Gespräch mit 100ProzentMeinSCP. Mit Sportchef Malte Metzelder telefoniert er praktisch täglich, auch mit Teammanager Harald Menzel, dazu mit den Spielern alle paar Tage. Die Profis haben ein indiduelles Programm erhalten, zwischendurch stehen dann Gesprächsrunden via Skype an. „Das nächste ist für Freitag geplant.“

Und sonst? „Ich mache Sport, gehe am Rhein angeln, versuche die Zeit zu nutzen. Und ich versuche gesund zu bleiben und niemanden anzustecken.“ Ein paar alte (Preußen-)Spiele gilt es auch noch zu schauen. Das ist der Alltag in Corona-Zeiten.

Wie lange das noch dauern kann? „Da habe ich ehrlich gesagt keine Vorstellung“, gibt Hildmann zu. „Ich hänge genauso in der Luft wie alle anderen.“ Denn letztlich hat der SC Preußen Münster wie alle anderen Klubs wenig zu entscheiden. Was möglich ist, wird in Bund und Ländern entschieden. Der Fußball kann derzeit auch nur reagieren.

„Wir haben Verantwortung“

Gerade erst hatte der SCP mitgeteilt, dass eine Rückkehr in eine Trainingsarbeit nicht zeitnah anstehe. Das hält Hildmann auch für richtig. „Wir haben hier eine Verantwortung und müssen vorsichtig sein.“ Falls es irgendwann wieder losgehe, müsse man ohnehin noch einige Fragen klären. Training in Kleingruppen? Was für ein Training? Welche Hygienevorschriften müssten beachtet werden? Das ist alles noch offen.

Leicht wird das auf keinen Fall. Die Regionalligen haben sich gerade verabredet, den Trainings- und Spielbetrieb „bis auf Weiteres“ ruhen zu lassen. Mit einer Vorlaufzeit von 14 Tagen könne man dann wieder starten. Das sind zwei Wochen Vorbereitungszeit nach wochenlanger Pause, bevor es in einen vielleicht sogar straffen Spielbetrieb geht. „Das ist extrem schwierig“, glaubt Hildmann. Aus Trainersicht bringt die Kürze der Zeit völlig neue Probleme mit sich. „Wenn du über Wochen raus bist und dann nur 14 Tage hast… Aber das betrifft dann ja alle Klubs.“

Ist es überhaupt möglich, eine Mannschaft binnen so kurzer Zeit wieder auf 100 Prozent zu bringen? „Nein, das kannst du vergessen.“ Natürlich halten sich die Spieler individuell fit. Aber viel mehr als ein paar Läufe oder Liegestütze im Wohnzimmer sind ja kaum drin. Wer nicht gerade ein Fitnessstudio im eigenen Keller hat, muss schauen, was möglich ist. Jan Löhmannsröben hält Klopapierrollen hoch, Max Schulze Niehues wirft sich aufs Sofa. Kleine „Insta-Filmchen“ zum Zeitvertreib, ein Spaß, aber eben auch einer mit einem wahren Kern: Mit Training hat das wenig zu tun. Mehr noch: „Mit Fußball hat das wenig zu tun“, formuliert Hildmann.

Mini-Vorbereitung

Nicht ohne Grund braucht es im Sommer fünf bis sechs Wochen, ehe ein Team startklar ist für die Saison. Da geht es nicht nur um Fitness oder die Integration neuer Spieler. Da geht es um ganz normale Spielsicherheit, um Passwege, Laufwege, einfach alles, was aus den Spielern am Ende eine Mannschaft werden lässt, die auf dem Feld zusammenarbeiten kann. „Erst die ständige Wiederholung im Training schafft Automatismen“, so Hildmann. Es gehe um all diese Prozesse und Abläufe, die eben immer wieder trainiert und ins Gedächtnis gerufen werden müssten. Dafür ist Training da.

„Jetzt fängst du wieder bei Null an“, so Hildmann achselzuckend. „Das ist ein Problem.“ Und zwar in vielerlei Hinsicht. Die Corona-Pause wird Einfluss haben auf die Liga, denn bei allen Klubs wird ein Bruch zu spüren sein. Mal mehr, mal weniger. Vielleicht hat sich Halle insgeheim gefreut über die unfreiwillige Pause – denn zuletzt ging es sturzartig bergab für den HFC. Aber Chemnitz? Und die Preußen? Beide zeigten zuletzt stark ansteigende Leistungen. „Wir hatten uns gefunden, hatten eine gute Spielanlage, die Jungs haben das alles verstanden.“ Kann der SCP den Schwung über die Pause retten?

Zuletzt hatte Simon Scherder im Interview mit dieser Redaktion die Hoffnung formuliert, dass die Pause keinen großen Bruch erzeugen würde. Aber das ist eben unklar. Zwar trifft das auf alle Klubs der Liga zu, aber „für einige ist das gut, für andere nicht“, so Hildmann.

Eher Abbruch

Der völlig subjektive Eindruck des Preußentrainer geht eher in Richtung Saisonabbruch. „Es sind über 70 Prozent der Saison gespielt. Belgien hat seine Saison abgebrochen, auch der Handball, Basketball.“ Nachbar USC Münster spielt bis Herbst gar nicht mehr. Es ginge für den Fußball in diesem Fall eher um Fragen nach Auf- und Absteigern.

Klar ist für Hildmann: „Absteiger darf es nicht geben. Das darf nicht passieren.“ Die Logik dahinter ist klar: Aufsteiger könnte man ja vielleicht ermitteln – das ist eine positive Debatte. Aber wer würde jetzt bestimmen, welche Klubs im Abstiegskampf noch bestehen könnten? Wer runter muss? Es sind zwar „nur“ noch elf Spieltage in der Saison übrig, aber das sind eben auch 33 Punkte. Im Falle der Preußen wird die Problematik deutlich: Nach einer bösen Hinrunde holten die Preußen unter Sascha Hildmann starke 1,57 Punkte im Schnitt. Hildmann verpasste dem SCP ein klares System und klare Strukturen. Mit dem erreichten Schnitt wäre unter normalen Umständen ein solider Mittelfeldplatz mit Blick nach oben möglich. Könnte man den SCP mit dieser Tendenz dann zum Absteiger machen?

„Welchen Weg man jetzt auch immer wählt: Für einige wird es blöd“, glaubt Hildmann. Das liegt ja auf der Hand. Ein Abbruch würde nur viele weitere Fragen und Diskussionen erzeugen. Aber auf der anderen Seite ist eben in der 3. Liga auch klar, dass eine Fortsetzung notfalls ohne Zuschauer kein Weg sein kann. „Wir können keine Geisterspiele spielen“, sagt Hildmann deutlich. „Wir sind doch alle in Kurzarbeit, um uns finanziell zu schützen.“ Beim Neustart der Liga würde sofort wieder normale Gehälter fließen, aber keine Einnahmen. Und die sind eben in der 3. Liga (und darunter) viel wichtiger als bei den Klubs in der Bundesliga oder der 2. Bundesliga. „Wie soll das also gehen?“, lautet die eher rhetorische Frage. Denn Antworten darauf gibt es noch nirgends. „Der DFB muss Entscheidungen treffen.“

Der DFB also. Hildmann formuliert die Frage, die derzeit jeder im Fußball stellt. Was ist mit dem Arbeitsrecht? Hildmanns eigener Vertrag läuft nur bis Ende Juni. Erst ein Klassenerhalt würde ihn automatisch verlängern. Was wäre mit Spielerverträgen und Wechseln für die kommende Saison, die im Hintergrund bereits vereinbart wurden? „Da müssen die Funktionäre ran.“

„Lex Kaiserslautern“?

Dass der DFB jetzt plötzlich auch besondere Hürden reduziert, verfolgt Hildmann mit gewissen Zweifeln. Beispiel Insolvenzen: Der DFB kündigte an, bei Insolvenzen auf den üblichen Punkteabzug zu verzichten oder ihn minimal zu halten. Möglicherweise kann der hochverschuldete 1. FC Kaiserslautern mit einer Plan-Insolvenz davon profitieren. Der FCK stünde anschließend schuldenfrei da – während andere Klubs auf Kosten des Sports seriöser gewirtschaftet haben. Selbst als gebürtiger Lauterer sorgt das bei Hildmann für Bauchschmerzen. „Aalen, Erfurt… die mussten alle mit Punktabzügen leben. Die Lockerung dieser Insolvenzregeln finde ich nicht so gut.“

Aber das ist eben auch nur eines von vielen Themen. Dass jetzt auch andere Modelle diskutiert werden, ist logisch. Einer Aufstockung der 3. Liga stünde der Preußentrainer gar nicht mal ablehnend gegenüber. „Mit 22 oder 24 Teams könnte man verlorene Einnahmen auch wieder reinholen.“ Aber das sei auch ein enormer Schritt und eine Belastung für alle Teams.

Dass zuletzt einige Traditionsklubs aus der Regionalliga Ansprüche angemeldet haben, findet Hildmann nicht überraschend. „Da will sich jetzt jeder in Position bringen.“ Hildmann kennt die unterschiedlichen Ansprüche ja aus eigenem Erleben. Als Trainer in Großaspach und Kaiserslautern war an an beiden Enden des Spektrums aktiv.

Bis Ende April ruht der Betrieb in der 3. Liga. Das sind noch drei lange Wochen. Da werden noch einige Fische den Rhein hinunterschwimmen. Viel Zeit für viele Diskussionen. In welchem Zustand die Preußen und die 3. Liga dann sein werden, ist heute nicht zu sagen.

Rückblick

Als Spieler war Sascha Hildmann einige Male gegen Preußen Münster am Ball. Mit Saarbrücken verpasste er in der Hinrunde 1995 noch den 2:1-Auswärtssieg in Münster. Kein Zusammentreffen also im blau-schwarzen Dress der Saarbrücker. Nach seinem Wechsel zum 1. FC Kaiserslautern II war er aber einige Male am Ball gegen die Adler. Fünf Partien zwischen dem FCK II und den Adlern machte er mit. Ziemlich exakt vor 20 Jahren, im März 2000, unterlag er den Preußen auf Platz 4 am Betzenberg mal mit 0:1. Bei den Preußen am Ball? Unter anderem Christoph Metzelder („Ich wusste gar nicht mehr, dass ich mal gegen ihn gespielt habe…“), das Siegtor erzielte der heutige Paderborner Manager Martin Przondziono per Elfmeter. Und Hildmann spielte in einer Mannschaft mit Roman Weidenfeller und Miroslav Klose. Hildmann erinnert sich an die Zeit und auch an einige dieser Partien. „Mit Miro Klose verstehe ich mich heute noch gut“, so Hildmann lächelnd. „Ich weiß noch, wie der aus Homburg zum Probetraining nach Kaiserslautern kam.“ Auch zu Roman Weidenfeller oder Michael Ballack pflegt der Preußentrainer noch gute Kontakte. „Fußball ist schon verrückt. Gerade im höheren Bereich siehst du dich immer mal wieder…“

Solche Erinnerungen lenken dieser Tage ab vom Alltag.