Klarheit schaffen

Klarheit schaffen

7. April 2024 6 Von Carsten Schulte

Die „Bild“ machte am Samstagabend die Schlagzeile. Nach dem bitteren 1:3 im Spitzenspiel gegen Regensburg werde der SC Preußen Münster auch noch seinen Sport-Geschäftsführer Peter Niemeyer verlieren. Ob das bereits beschlossen ist? Das wissen nur die Beteiligten. Sicher ist: Für den SC Preußen ist der Zeitpunkt dieser Nachricht so oder so denkbar schlecht und wirft Fragen auf. Ein Kommentar.

Um das vorwegzunehmen: Dass ein Job bei einem Bundesligisten eine Chance für Peter Niemeyer darstellen könnte, liegt auf der Hand. So schön der Entscheidungsspielraum und die Position beim SCP für den Geschäftsführer auch sein mag – wenn ein Erstligist einen guten Posten anbietet, wäre ein Wechsel allemal nachvollziehbar. Für Sentimentalitäten ist im Fußball kaum Platz und gerade in den Leitungsfunktionen ist der ständige Wandel eingebaut.

Die mögliche neue Stelle wäre ja auch Lohn starker Arbeit in Münster. Nach dem Abstieg 2020 war es Niemeyer gelungen, aus dem Nichts ein neues Team aufzubauen, das sein Potenzial bereits in der Rückrunde andeutete. Dass er dann im Sommer 2021 verstärkte und RW Essen bis zum letzten Spieltag der Saison 2021/2022 ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferte und am Ende nur wegen ein paar Toren als Zweiter abschloss. Der dritte Anlauf mit der souveränen Meisterschaft war die (vorläufige) Krönung. Und dass die aktuelle Drittliga-Saison so dermaßen stark verläuft, war sicher nicht die Erwartung, aber vielleicht die Hoffnung.

So oder so: Job well done. Und nun auf zu neuen Ufern? Das wäre dem Sportchef nicht zu verübeln. In Münster würde er keinen Scherbenhaufen hinterlassen, im Gegenteil. Nach vier Jahren erfolgreichen Handelns würde ihm einen Wechsel vermutlich kaum jemand verübeln.

Und doch sorgt der Zeitpunkt für Stirnrunzeln. Bisher hatte Niemeyer immer betont, der Weg sei nicht beendet. Man sei dabei, in Münster etwas aufzubauen. Noch im Februar hatte Niemeyer in den „Westfälischen Nachrichten“ gesagt: „Ich weiß, was ich an den Preußen habe. Grundsätzlich bin ich mit meiner Arbeit beim SCP noch nicht fertig.“ Worte, die im Fußball (leider) schnell Makulatur sind. So ist das Geschäft halt. Wenn ein besserer Weg lockt, ist der alte schnell verlassen.

Dabei stehen gerade in dieser Saisonphase wichtige Themen an. Neben dem großen Oberthema Stadion geht es dabei vor allem um die Kaderplanung – auch wenn die angesichts der Aussichten nicht so verbindlich zu gestalten wäre wie mit einem sicheren Mittelfeldplatz und der Gewissheit, in der 3. Liga zu spielen. Dass also ausgerechnet in dieser heiklen Saisonphase eine Nachricht wie der mögliche Wechsel öffentlich wird, ist ein Problem. Vertragsgespräche mit potenziellen Neuzugängen (egal für welche Liga) mit einem scheidenden Sportchef? Keine gute Sache.

Rückblick auf 2020: Peter Niemeyer wird neuer Sportdirektor beim SC Preußen Münster. Foto: SC Preußen Münster

Denn weitere Fragen tauchen auf: Wie geht es weiter? Wie läuft die Kaderplanung weiter? Wie kommt der SCP an einen neuen Sport-Geschäftsführer? Wer würde einsteigen, um eine Mannschaft zu übernehmen, die vielleicht noch (in Teilen) vom Vorgänger gestaltet wurde? Und wann wäre der Zeitpunkt für einen Einstieg? Müsste man dann vorab einen Wechsel vornehmen? Und überhaupt: Welche Auswirkung auf die Geschäftsführungsstruktur hätte dieser Wechsel überhaupt? Die jüngsten Aussagen des Präsidenten über Ablösesummen – wie haltbar sind die tatsächlich? Würde der SCP darauf beharren?

Das sind eine Menge sehr offener Fragen, für deren Beantwortung nicht viel Zeit bliebe. Und alle Fragen hängen auch davon ab, ob die „Bild“-Meldung tatsächlich Hand und Fuß hat. Das Boulevard-Blatt lehnt sich allerdings weit aus dem Fenster. Wäre es denkbar, dass ein Wechsel gar nicht ansteht? Oder erst im kommenden Jahr? Oder würde der SCP ganz unerwartet ein Stop-Schild setzen und einen vorzeitigen Wechsel einfach untersagen?

Aus Bremen kam am Sonntagmorgen ein vages Dementi von Clemens Fritz. Man könne den Wechsel nicht bestätigen, es sei ein „Prozess“ und „es ist nichts fixiert“. Dass die Meldung glattwegs falsch sei, sagt Fritz nicht.

Das alles ist nun akuter Teil des Themas: die Ungewissheit.

Da die Meldung über einen möglichen Wechsel Niemeyers öffentlich ist, müsste der SC Preußen entscheiden, wie er damit umgeht. Eigentlich wäre Transparenz angezeigt. Selbst wenn (bisher) keine offizielle Anfrage von Werder vorliegt: Falls der Wechsel real würde, falls sich beide Klubs auf Gespräche über einen vorzeitigen Wechsel einlassen, muss das Thema auf den Tisch. Dass der SCP diese Baustelle bekommt, ist ärgerlich, weil sie nun ungewollt Einfluss hat – auf Vertragsgespräche, auf Planungen, auf einfach alles. Die Mannschaft steckt dabei in einem größeren (Aufstiegs-)Thema – und wie sagte Peter Niemeyer zuletzt selbst? „Der Verein und die Mannschaft stehen über allem, auch über meinen persönlichen Interessen.“

Die Zurückhaltung dürfte mit der „Bild“-Meldung eigentlich obsolet sein. Jetzt beeinflussen die persönlichen Interessen definitiv auch die Interessen des Klubs – und deshalb sollte bald Klarheit geschaffen werden. So oder so.