Marc Lorenz zwischen „Kicker“-Elf des Tages und Ungewissheit

Marc Lorenz zwischen „Kicker“-Elf des Tages und Ungewissheit

29. April 2024 4 Von Carsten Schulte

Dass Marc Lorenz am Montag in der „Kicker“-Elf des Tages landete, das war abzusehen. Sogar zum Spieler des Spieltags wurde er gekürt.  Alles andere wäre ein erstaunlicher Fehler gewesen. Selten hat ein Spieler eine Partie des SC Preußen Münster (oder überhaupt eine) so beeinflusst wie „Lore“ am Samstag in Köln. Vier Torbeteiligungen, dazu noch ein eigener Treffer: Besser geht kaum. Und trotzdem bleiben Fragen offen. 

Der Kapitän des SCP war im Sommer 2022 nach Münster zurückgekehrt, von wo aus er 2011 als junger Spieler den Weg über Lotte, Bielefeld und Wiesbaden bis nach Karlsruhe nahm. Mit über 100 Zweitliga-Einsätzen und fast 190 Drittliga-Spielen ist seine Vita gut gefüllt – die über 110 Regionalliga-Spiele einmal ganz außen vor. Keine Frage: Lorenz war 2022 wichtig als Zeichen für den erhofften Aufstieg im dritten Anlauf. Dass er sofort Kapitän wurde, spricht für die Erwartungen, die an ihn gestellt wurden und die er später auch erfüllte. In der Regionalliga-Spielzeit 2022/2023 war er einer der Dreh- und Angelpunkte und damit federführend am Aufstieg beteiligt. 

Und doch war der Kapitän zuletzt im März und April nur Zuschauer, als Verträge mit Thorben Deters, Niko Koulis, Simon Scherder oder Yassine Bouchama verlängert wurden. Die Sache ist eben verzwickt. Denn in der Vorrunde der aktuellen Drittliga-Saison war für den Aufstiegshelden erst einmal kein richtiger Platz mehr. Die ersten Saisonspiele verpasste er mit einer Wadenverletzung und wurde zunächst schmerzlich vermisst. Nach seiner Gesundung rückte er aber nicht nachhaltig ins Team, was auch dem Fokus auf eine defensive Dreierkette geschuldet war. Lorenz wurde zwar nicht gerade „Verschiebemasse“, aber musste sich doch teilweise auf eher ungeliebten Positionen als Außenverteidiger stellen.  Und bekam dabei auch noch überschaubare Einsatzzeiten. Die zwei Spiele vor Weihnachten verfolgte er sogar nur von der Bank aus. Nicht gerade der Anspruch des Kapitäns.

Sein Vorteil war Münsters Systemumstellung im Winter. Dank einer Viererkette durfte Lorenz wieder auf die Außenbahn, wo er mehr Zugriff aufs Spiel bekam. Seit Jahresanfang stand er bis auf zwei Ausnahmen immer in der Startelf – nur in Ingolstadt und Ulm kam er von der Bank. 

Einschub: Auch Niko Koulis landete am Montag in der „Kicker“-Elf des Tages. Auch seine Nominierung war keine Überraschung. Mit zwei Toren trug er entscheidend zum Auswärtssieg bei und unterstrich einmal mehr, warum er nach einiger Anlaufzeit längst zu den unumstrittenen Stammkräften des Teams gehört. 

Seit Jahresanfang sitzt Marc Lorenz also wieder fest im Sattel. Und doch tauchte sein Name bisher bei den Vertragsverlängerungen nicht auf. Das hatte der Kapitän Anfang März dann auch sehr öffentlich in den „WN“ zum Thema gemacht. Man habe mit ihm noch gar nicht gesprochen, hatte Lorenz da „erstaunt“ formuliert. „Der Verein muss entscheiden, ob er mit mir oder ohne mich plant“, so Lorenz in der Zeitung. Solche öffentlichen Aussagen werden allerdings von Klubverantwortlichen in der Regel nicht gern zur Kenntnis genommen. In der Logik des Kapitäns waren sie aber nachvollziehbar. Schon Sommer 2022, direkt nach dem Aufstieg, hatte der damals 34-Jährige im Aufstiegsmagazin (letzte Exemplare hier noch erhältlich) betont, gerne noch ein paar Jahre aktiv spielen zu wollen. Fit genug sei er.

Mittlerweile ist Lorenz 35 Jahre, im Juli wird er 36 Jahre alt. Der SC Preußen kämpft noch immer um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Das Zögern des Klubs, namentlich das von Sport-Geschäftsführer Peter Niemeyer, ist zumindest erklärbar. Lorenz gehört zu den Spielern im oberen Gehaltsbereich der Mannschaft und angesichts der unklaren Ligaaussichten ist er mit 36 Jahren vielleicht nicht mehr ganz selbstverständlich immer gesetzt. So oder so muss sich der SCP mit Nachfolgern beschäftigen und entsprechend handeln – was dann wiederum Einfluss auf seine künftige Rolle haben dürfte. 

Der sportliche Bereich ist aber nur eine Seite der Medaille. Im Fall von Marc Lorenz zählt noch eine andere Komponente. Eine, die nicht viel weniger wichtig ist: Der Kapitän hat „Stallgeruch“ und eine Geschichte mit dem Klub, auch wenn er die entscheidende Zeit seiner aktiven Karriere außerhalb Münsters verbrachte. Er durchlief die U19 in Münster, kehrte dann nach einer Zeit auf Schalke zurück zum SCP und ist seit 2022 ein drittes Mal an der Hammer Straße. Er wird vom Umfeld als einer der Führungspersonen respektiert und wenn er sagt, dass er hier nicht angetreten war, um seine Karriere entspannt ausklingen zu lassen, dann ist da wohl etwas dran. 

Dass ihm noch kein Angebot vorliegt, deutet aber auch an, dass die Einschätzung über seine Bedeutung und Rolle nicht so eindeutig ist, wie das von außen wahrgenommen wird. Wäre es anders, gäbe es ja die Diskussion nicht und Lorenz hätte längst seinen neuen Vertrag. Aber die Fragen sind noch offen. Falls der SCP weiter in der 3. Liga bleibt, müsste sein Gehalt in einem engen Korsett möglicherweise auf den Prüfstand. Und je nach Ligazugehörigkeit und Einsatzzeiten geht es dann auch um „weiche“ Faktoren wie die Kapitänsbinde. Bleibt er Chef? Oder müsste jemand anders ran, falls Einsatzzeiten absehbar geringer ausfallen?

Dennoch: Nach Leistungen wie zuletzt dürfte es ganz einfach schwer werden, Fans und Umfeld zu erklären, warum er in Münster nicht noch (wenigstens) ein Jahr dran hängen dürfte. Und zwar unabhängig von der Liga. 

Vielleicht auch deswegen hatte Peter Niemeyer nach der Partie darauf verwiesen, dass Lorenz mit Spielen wie in Köln die „richtige Sprache“ wähle – sicher ein kleiner Verweis auf seine sehr öffentlichen Aussagen im März. So liegt es an Lorenz selbst, seine Verhandlungsposition zu stärken. Und dann reicht es auch, sich mit der Frage erst zu beschäftigen, wenn die Saison beendet ist und die künftige Spielklasse feststeht.