Malte Metzelder: „Die Leidtragenden sind die Spieler“

Malte Metzelder: „Die Leidtragenden sind die Spieler“

30. April 2020 1 Von Carsten Schulte

Nichts ist klar, nichts ist wirklich sauber. Die Klubs der 3. Liga sind uneins, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will seine Saison retten, die DFL gibt Geld, aber das kommt entgegen anderslautender Beteuerungen doch mit Bedingungen. Wenn der Fußball selbst schon nicht das beste Bild abgibt, dann ist das der 3. Liga womöglich noch schlimmer. Auch beim SC Preußen Münster nimmt man die ganze Diskussion etwas ernüchtert zur Kenntnis.

Anfang der Woche waren die Drittligisten zuletzt in einer Konferenz zusammengeschaltet. Preußens Sport-Geschäftsführer Malte Metzelder war mit dabei, sagt aber auch: „Ich glaube, viel schlauer bin ich nicht.“ Die Abfrage des Stimmungsbildes goss der DFB anschließend ein eine Art Entscheidung light. Während der Verband betonte, die Abstimmung sei lediglich ein „Meinungsbild“ der Liga, ging die Aussage später doch ziemlich deutlich in Richtung Saisonfortsetzung. Dabei fiel ja schon das Meinungsbild extrem durchwachsen aus. Nicht ganz so knapp wie der Brexit, aber doch unklar genug, um eine echte Linie zu erkennen.

Manches, was dann zu lesen war, klang schon arg imperativ. „Das Ergebnis der Abfrage ist von allen zu respektieren und akzeptieren.“ So formulierte es Peter Frymuth, als DFB-Vizepräsident Spielbetrieb und Fußballentwicklung zuständig für die 3. Liga. Das klang schon gar nicht mehr nach einem „Meinungsbild“. Das war eine kategorische Ansage. Der SC Preußen veränderte seine Haltung nicht. „Wir haben unsere Bedenken erneut hinterlegt. Es sind weiter viele Fragen offen“, so Metzelder. Der SCP ist für den Saisonabbruch.

300.000 Euro mit Bedingungen

Weitere seltsame Entwicklungen sind zu beobachten. Wie der DFB den „Zuschuss“ aus der Bundesliga verteilen will, passt nicht zu früheren Aussagen. Dass der Verband die Kosten für Infektions-Tests zentral zahlen will – okay. Die Klubs reichen ihre Rechnungen ein, die Kosten werden von dem 300.000-Euro-Zuschuss der DFL abgezogen. Aber während DFL-Boss Christian Seifert die Zahlung ausdrücklich ohne Bedingungen angekündigt hatte, will der DFB davon nichts wissen. Geld werde nur fließen, wenn die Liga gefälligst auch spielt. Und damit niemand querschießt, wird auch nicht die gesamte (Rest-)Summe auf einmal gezahlt, sondern anteilig nach jedem absolvierten Spieltag. Metzelder: „Grundsätzlich war das ein guter Gedanke von der DFL, aber dass der DFB das jetzt mit der Botschaft hinterlegt, weiterzuspielen, erhöht den Druck auf die Vereine.“ Und Druck ist in seltensten Fällen ein guter Ratgeber.

Man sehe aber auch, wie unterschiedlich das Meinungsbild der Liga ausfällt, so Metzelder. Gerade wurden beispielhafte Abstimmungsmuster bekannt. So plädierte der Tabellenführer MSV Duisburg einem „Bild“-Bericht zufolge jetzt für einen Saison-Abbruch für den Fall, dass bei einer Fortsetzung keine Absteiger benannt würden. Das würde die Tabellenkinder der Liga doch nur dazu bringen, Leistung rauszunehmen und nach MSV-Logik wegzuschenken. Stichwort Wettbewerbsverzerrung.

Der MSV trainiert übrigens seit Anfang April wieder – mit den üblichen Auflagen. Der SC Preußen Münster darf das nicht, die Stadt hat das untersagt. Das bedeutet, der MSV besitzt über einen Vorsprung, den andere Teams nicht haben. Das ist nur ein kleiner und ärgerlicher Teil des ganzen Themas.

Training beim SCP?

Aktuell und vorerst gibt es kein Training beim SCP. „Wir warten auf die Politik“, so Malte Metzelder. Der Klub steht mit der Stadt im Austausch. Ein Konzept für den Trainingsbetrieb liege vor, es habe auch schon eine telefonische Rückmeldung aus der Stadt gegeben. „In den kommenden Tagen werden wir weiter darüber sprechen.“

Es passt zur Lage, dass auch die 3. Liga nicht weiß, wann es weitergeht. Bis auf Weiteres ist der Spielbetrieb ausgesetzt – über den 30. April hinaus. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schrieb zuletzt von einem Start am 16. Mai. Das Datum ist allerdings nur schwer vorstellbar, da nach wie vor viele Drittligisten nicht einmal wieder im Training sind.

Den Rückstand sieht auch Metzelder so. „Wir sind seit etwa sieben Wochen raus aus dem Wettkampfmodus.“ Ärgerlich für den SCP, weil er trotz der unglücklichen 1:2-Niederlage in Köln eigentlich auf einem guten Weg war. „Die Spielleistungen haben das gezeigt.“ Dann kam der Bruch.

Und während der SCP auf die Disziplin und Eigenverantwortung seiner Spieler hofft, sei doch eines klar: „Die sportartspezifische Belastung fehlt völlig.“ Da seien jene Teams im Vorteil, die schon wieder etwas strukturierter und gezielter hätten arbeiten können.

Die Probleme sieht Metzelder, einst selbst Profi, als relevant an. „Fußball ist schon komplexer als beispielsweise Einzelsportarten. Und natürlich fließen in den Sport viele Komponenten ein: Kraft, Technik, Beweglichkeit, Handlungschnelligkeit. All das lässt in so einer Pause einfach nach.“

Das Gefühl für Raum und das richtige Timing: All das sind Details, die man nur in einem echten Training erreichen könne, so Metzelder.

Druck auf die Spieler

Der Sport-Geschäftsführer spricht auch ein Problem an, das bisher kaum zum Thema gemacht wurde. „Die Erwartungshaltung ist ja schon so, dass die Spieler praktisch sofort wieder funktionieren.“

Von null auf hundert binnen weniger Tage. Das ist der Plan des DFB. Darüber sollten sich alle klar sein: Nach einer üblicherweise drei- bis vierwöchigen Sommerpause haben Fußballklubs in der Regel fünf bis sechs Wochen Vorbereitungszeit. Und jetzt sollen alle nach knapp zwei Monaten ohne Fußball binnen zwei oder drei Wochen auf Betriebstemperatur sein?

Metzelder: „Da muss man auch die Spieler mitnehmen und erklären, welche Probleme entstehen könnten.“ Das Risiko einer Verletzung steige, Muskulatur und Bewegungsapparat sind eben nach so langer Pause und so kurzer Einarbeitungszeit nicht sofort auf eine Dauerbelastung ausgelegt. Und eine Dauerbelastung wird es sicher werden, elf Spieltage binnen kurzer Zeit durchzuziehen.

„Am Ende sind die Spieler die Leidtragenden. Die erleben eine unfassbar hohe Belastung in kürzester Zeit. Wir reden hier von Menschen, nicht von Maschinen!“

Ob das beim DFB ankommt?

Preußens Kader-Probleme

Für den SC Preußen wird das alles noch schwerer. Bei der Kaderplanung im vergangenen Sommer musste der DFB sich den engen Vorgaben des DFB fügen. Der SC Preußen musste aus wirtschaftlichen Gründen personell enger schnallen. „Wir können hier nicht mit einem üppigen Kader glänzen. Uns darf nicht viel passieren.“

Der Ausfall von Leistungsträgern in einer eng getakteten „Corona-Liga“ war niemals eingerechnet. Kann der SCP das auffangen mit seinen „Perspektivspielern“? Dürfte man einen wie Jannik Borgmann, der seit August verletzt ausfällt und in dieser Saison noch gar kein Drittligaspiel absolviert hat, direkt reinwerfen?

Was für eine Art von „regulärem“ Wettbewerb soll das werden, wenn der weitere Saisonverlauf geprägt sein wird von Hektik, Dauer-Einsätzen, Belastung ohne große Vorbereitung? Wie belastbar und zulässig sind die sportlichen Ergebnisse im Fall der Saisonfortsetzung?

Für die Adler ist das alles eine ungute Situation. Der Druck des Abstiegskampfes wird sofort wieder da sein, noch ehe das Team wieder ansatzweise bei 100 Prozent steht. „Und jeder Tag, an dem wir nicht im Training sind, schmälert unsere Möglichkeiten.“

Keine schöne Ausgangslage. Aber der DFB will es so.