DFB schiebt kritischen Drittligisten den „schwarzen Peter“ zu

DFB schiebt kritischen Drittligisten den „schwarzen Peter“ zu

13. Mai 2020 4 Von Carsten Schulte

Zugunsten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) müsste man sagen, dass die Corona-Krise auch den Verband kalt erwischt hat. Wie die Klubs sucht auch der DFB nach Wegen durch die Krise. Aber das Verhalten des „Ligaträgers“ in den vergangenen Tagen vertieft nur die Gräben.

Erst am Dienstag hatte sich der DFB-Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius mit einer bemerkenswert aggressiven Äußerung öffentlich gemacht. „Für die aktuellen Problematiken in der 3. Liga sorgen aktuell leider vor allem einige wenige Klubs, nicht der DFB und auch nicht die Mehrheit der Vereine“, teilte Curtius mit.

Die Mitteilung ist aus verschiedenen Gründen problematisch.

Erstens liest sich das, als würden hier lediglich zwei oder drei Abweichler einen Sonderweg beanspruchen. Dabei ging es in der jüngsten Liga-Umfrage des DFB um acht „Abbrecher“ gegen zehn „Weitermacher“. Nicht gerade eine Erdrutsch-Mehrheit… Zumal das oft dargestellte Eigeninteresse ja für alle Klubs gilt: Jene, die auf einen Aufstieg oder Klassenerhalt hoffen und jene, die sich bei einer Fortsetzung eben noch Chancen ausrechnen würden.

Curtius klang irgendwie so, als hätten sich die aufmüpfigen Drittligisten aus reiner Lustlosigkeit gegen eine Fortsetzung ausgesprochen und nicht wegen einer bisher ungekannten Krise. Die Klubs bemängeln dagegen – zu Recht – fehlende Chancengleichheit, hohe Kosten, unklare Fragen über Gesundheit der Spieler, extrem hohe Aufwände und auch eine moralische Verantwortung des Fußballs. Eine Verantwortung, die deutschlandweit übrigens von großen Teilen der Menschen wahrgenommen und formuliert wird – keineswegs nur von ein paar Drittligisten.

Für den DFB gibt es offensichtlich nur die Position „Verpflichtung für den Spielbetrieb“ – völlig losgelöst von einer gesellschaftlichen Lage, die eben diesen Spielbetrieb überall in Deutschland beendet.

Dass der DFB hinter den Kulissen Drohgebärden zeigt und Druck aufbaut, wurde am Dienstag offenkundig, als Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff über exakt jenen Druck sprach. Über Drohungen über rechtliche Konsequenzen bis hin zum Entzug der Zulassung.

Curtius gab sich „verwundert“ über diese Aussagen – was man dann so als „mein Wort gegen deins“ hätte stehen lassen können. Tja, wenn nicht wenige Tage zuvor DFB-Vizepräsident Erwin Bugar ausgerechnet diese Drohungen bestätigt hätte. Im MDR-Interview gab er unverhohlen zu, dass der DFB mit rechlichen Konsequenzen drohe, sollten Vereine sich weigern zu spielen.

Und nun wird ein Muster sichtbar, allerdings nicht zugunsten des DFB.

Noch seltsamer

Die Mitteilung vom Mittwoch fällt sogar noch seltsamer aus. Jetzt geht der Verband zwei Schritte weiter und schiebt den Drittligisten den „schwarzen Peter“ zu. In einer Konferenz seien die Präsidenten der Regional- und Landesverbände des DFB zu der Auffassung gelangt, dass die „von einigen Vereinen betriebenen Debatten sowohl der 3. Liga als auch dem gesamten deutschen Fußball mit dem DFB und seinen 26 Mitgliedsverbänden großen Schaden zufügen“.

Die Diskussion gefährde die Zukunft der 3. Liga! Warum, das verraten die Präsidenten allerdings nicht. Es wäre auch nicht nachvollziehbar, denn streng genommen wird die Zukunft der 3. Liga derzeit eher von aufmüpfigen Regionalligisten gefährdet, welche die 3. Liga in der heutigen Form zerschlagen wollen, aber geschenkt.

Der DFB mahnte zuletzt zu „lösungsorientiertem Verhalten“ an – dabei ist er es, der aktuell wenig bis nichts dazu beiträgt. Die Lösung des DFB lautet „Augen zu und durch“. Antworten oder Konzepte liefert der DFB allerdings nicht. Das für die DFL und die Bundesliga erstellte Hygienekonzept wurde eilig für die 3. Liga übernommen, zudem das „bedingungslose“ Geldgeschenk von vier Bundesligisten vom DFB einsam mit Bedingungen versehen.

Fordert hier ausgerechnet der Verband lösungsorientiertes Handeln ein, der seinen Vereinen mit Ausschluss droht und die Klubs als lustlose Arbeitsverweigerer und „Problembären“ hinstellt? Ist es denkbar, dass zwischen Verband und Klubs unterschiedlicher Begriffsdeutungen existieren?

Grenzwertig wird die Mitteilung des Verbands insoweit, als die „Präsidenten der Regional- und Landesverbände“, die sich hier wortgewaltig an kritischen Drittligisten abarbeiten, ausgerechnet jene Landesverbände vertreten, die ihrerseits reihenweise für einen Saisonabbruch plädiert haben… Da wird es argumentativ dünn. Denn auch die 3. Liga gehört ja eben nicht zur DFL (was die ganze Debatte mutmaßlich völlig verändert hätte), sondern zum „Amateurverband“ DFB. Und die Konsequenzen und Gründe in der Regionalliga sind ja nicht ganz weit entfernt von der 3. Liga.

Und selbt wenn man logistische und wirtschaftliche Unterschiede durchaus diskutieren kann, ist das Zeichen, das der DFB derzeit setzt, katastrophal. Der DFB ist sinnbildlich der Gastgeber der Party. Für das Wohlergehen der Gäste ist er verantwortlich, nicht in erster Linie die Gäste. Hier dreht der Verband die Zuständigkeiten einfach um. Sollen doch die Gäste sehen, dass die Party läuft.

Welche Antworten und Lösungswege hat der DFB denn den Klubs an die Hand gegeben?

Da wird stattdessen rhetorisch gefragt, welche Antworten oder Alternativen die Drittligisten denn hätten? Dabei liegen die Vorschläge reihenweise auf dem Tisch. Zuletzt hat der Magdeburger Geschäftsführer Mario Kallnik solche Antworten und Ideen geliefert. Kallnik umschreibt eine temporäre Aufstockung der Liga, geht auf das Thema Finanzen nach Corona ein – kurzum: Antworten sind da.

Kann es ein, dass beim DFB einfach die Post nicht gelesen wird?

Stattdessen liefert sich das Social-Media-Team des DFB auf Twitter eine traurige Debatte mit Nutzern und verweist auf großzügige Zuwendungen des DFB an die Liga. Nichts davon stammt vom DFB selbst, es geht immer um fremdes Geld. Vermarktungserlöse, Geldspenden aus der Bundesliga. Fremde Federn nennt man das und das ist in der aktuellen Situation schon etwas unwürdig.

Und zu allem Überfluss tritt DFB-Vize Rainer Koch in seiner Doppelrolle als DFB-Interessenvertreter und Chef des Bayrischen Verbandes sogar noch hinterher. Die Klubs mit Fragen lieferten ein „unwürdiges Schauspiel“, in dem der DFB nur „Zuschauer“ sein. Was ironischerweise exakt die Rolle ist, die der DFB für sich gewählt hat. Über Wochen war der Verband zu keinem konkreten Vorschlag bereit, Lösungen gab es nicht – nur das „Weiter, immer weiter“. Es geht dem Verband einzig um das Geld, um nichts weiter. Und die Buhmänner sollen jetzt acht Klubs sein, die Fragen und Kritik anmelden.

Und Koch deutet unverhohlen an, dass am Ende ja die Drittligisten die Kosten für Regress- oder Schadenersatzforderungen zahlen könnten. „All jene, die vehement einen Saisonabbruch verfolgen, müssen endlich Antworten liefern, was ihre konkreten Alternativen sind, und ob sie bereit sind, die Verantwortung für die gravierenden wirtschaftlichen und strukturellen Folgen zu übernehmen.“

Nein. Das müssen die Vereine nicht. Der DFB will sie zum Gehorsam zwingen und seine Liga um jeden Preis durchdrücken – dabei zeigt der Fall Dynamo Dresden, wie fragil das gesamte Konzept grundsätzlich ist. Spiel aber keine Rolle.

Nein, der DFB als Ligaträger ist in der Bringschuld, seinen Klubs eine Perspektive zu geben. Das tut er bisher nicht, auch wenn er das zu glauben scheint. Und von einer Versachlichung hat sich der Verband spätestens jetzt völlig verabschiedet.