Gastbeitrag: So steht der SC Preußen Münster Anfang 2020 da

Gastbeitrag: So steht der SC Preußen Münster Anfang 2020 da

2. Januar 2020 10 Von Martin Stadelmann

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Der Sport

So erfolgte der Kurswechsel zu einem Ausbildungsverein, geboren aus der finanziellen Not und ganz sicher nicht die Strategie, mit der der Geschäftsführer Sport hier antrat. Eine solche Ausrichtung birgt viele Gefahren, wir erleben es nun hautnah. Und dennoch wurde auch dieser Weg nur mit erheblichen Problemen und Fehlern gegangen. Eindeutig ist, dass der Umbruch zu radikal erfolgte. Der Mannschaft fehlt eine verlässliche Achse, die für Talente Sicherheit bietet. Geradezu katastrophal war die Fehleinschätzung, vier erfahrene Abgänge im Mittelfeld (Braun, Klingenburg, Kobylanski und Wiebe) nur durch Nico Brandenburger, den Trainer Hübscher aus mittlerweile immer unklareren Gründen außen vor ließ, und Fridolin Wagner aus der Regionalliga ersetzte. Dazu wurde ein System eingepflegt, das den Standards der 3. Liga widersprach und erheblich zum Auseinanderbrechen in der Hinserie beitrug. Alles unter den Augen des sportlich Verantwortlichen. Er erwies sich als handlungsunfähig für die Öffentlichkeit, die Trennung vom Trainer erfolgte unbestritten viel zu spät, der eine oder andere hätte es begrüßt, hätte Metzelder in die taktische Grundausrichtung, in die Philosophie des Trainers eingemischt, als jeder erkennen konnte, dass das alles nicht funktionieren konnte.

Der Nachwuchs

Gebetsmühlenartig wird vorgebetet, wie wichtig ein Nachweisleistungszentrum sei, wie wichtig der eigene Nachwuchs sei, wie sehr er gefördert werden solle. Doch die Realität sieht anders aus. Für den SCP gibt es weiterhin kein NLZ, es ist auch keines am Horizont zu sehen. Zusätzliche Trainingsplätze als Begleitung des Umbaus an der Hammer Straße? Keine Tendenzen sind erkennbar, dass diese Frage abgekoppelt und vergleichsweise früh angegangen werden würde.

Zusätzlich wird, wie auf den JHV vorgeführt, der Etat für die Jugend jährlich deutlich gekürzt. Der Höhepunkt im Schlechten war die Trennung vom erfolgreichen Trainer der U19, Cihan Tasdelen. Als Resultat sehen wir eine U19, die in ihrer Saison im Jahr 2019 kein einziges Pflichtspiel gewinnen konnte. Tasdelen hatte es stets verstanden, unbekannte Talente aus dem Umland aufzuspüren und diese gewinnbringend für den SCP einzubinden. Unter seiner Führung kamen nur in den letzten Jahren Spieler wie Warschewski, Steinkötter (verkauft für eine gute Ablösesumme), Klann, Remberg, Schweers und Borgmann, nur um einige zu nennen, nach Münster. All das war dann offenbar nicht mehr gut genug, stattdessen fehlt es der U19 an entsprechender Qualität. Es sind noch gute Talente vorhanden, aber ein Abstieg der U19 wird leider zu einem Aderlass führen.

Trotz aller Lippenbekenntnissen haben Talente aus der eigenen Jugend weiterhin einen schweren Stand. So verließen die Adlerträger in den letzten beiden Jahren mit Schweers, Stoll, Warschewski, Knüver, Akono, Conze zahlreiche Eigengewächse den Verein, in Teilen wurde kritisiert, dass die versprochene Förderung nicht eingehalten wurde. Und auch in dieser Saison sieht es bei der Frage der nachhaltigen Nachwuchsförderung nicht besser aus. Klann steht manchmal im Spieltagskader, Remberg und Frenkert sind, trotz guter Leistungen in der Oberliga, nur Trainingsgäste. Eine Konzentration auf den eigenen Nachwuchs vermag ich nicht zu erkennen.

Weiterhin erscheint es aufgrund der aktuellen Situation unklar, ob das verbreitete Jugendkonzept mit dem neuen Trainer nicht schon wieder hinfällig sein wird, denn dieser „Retter“ wird viele Freiheiten erhalten. Die Trainerfrage zieht sich bereits wieder wie Kaugummi (hat jemand „kein Geld“ gesagt), das Profil wird immer unklarer. Feuerwehrmann? Motivator? Oder doch eine möglichst langfristige Lösung? Von vor Weihnachten hat sich die Präsentation auf bis zum Trainingsstart verzögert. Vertrauen wird so nicht geschaffen, im Gegenteil. Es wirkt planlos, unvorbereitet. Es sorgt dafür, dass sich das negative Bild der Preußen verfestigt. Nachfragen zu dem Thema werden ausweichend beantwortet. Der Eindruck von der Wagenburg hat auch dieses Thema überlagert. 

Kommunikation auf Augenhöhe

Insgesamt hat es die Führung der Preußen bis heute nicht verstanden, dass ihr Handeln tausende Menschen interessiert. Die Preußen sind kein Briefmarken-Verein, in dem sich alle Dinge von alleine lösen oder nur zwei, drei Personen am Tagesgeschehen interessiert sind. Nicht erst seit dem Neuland Internet werden Fußball-Vereine ausgedehnt und öffentlich besprochen. Die Öffentlichkeit ist kein Feind, auch wenn sich bei Preußen der Eindruck nicht abschütteln lässt, dass das Volk mindestens als störend und ersetzbar empfunden wird. Deutlich zu sehen an Spieltagen. Bei Heimspielen werden die eigenen Zuschauer gegängelt, Parkplätze werden überlassen, Heimblöcke mal eben geopfert, Tore nach Belieben geöffnet oder verschlossen gehalten vom Veranstaltungsleiter. Interesse beim Präsidenten oder Geschäftsführer ist nicht vorhanden, eher absolutes Unverständnis. Aber ein Verständnis von Fankultur bei Personen zu erwarten, die Spiele lieber am TV und nicht im Stadion, gerade auswärts, verfolgen, ist wohl auch nicht zu erwarten. Natürlich haben wir in den Gremien Personen, auf die diese Kritik nicht zutrifft. Burkhard Brüx und Friedrich Lukas sollen aber wissen, dass ihr Engagement wahrgenommen wird und geschätzt wird. Trotz aller Widerstände und allen Unverständnisses, denen sie in den Gremien ausgesetzt sind.

Und so verwundert es auch nicht mehr, dass es keinerlei Gespür für die Interessen der eigenen Zuschauer gibt. Testspiele sind beispielsweise mehr als nur eine sportliche Herausforderung, sie sind immer auch ein Kontaktfenster zum SCP. Nah an der Bevölkerung präsentiert sich der SCP, pflegt Kontakt zu den hiesigen Clubs und den Fans. Aber immer häufiger tritt der SCP zu Testspielen in den Niederlanden an, immer öfter werden Fans direkt ausgesperrt. Grauenhaftes Marketing. Grauenhaftes Management.

Gekrönt werden diese Entwicklungen von der ehrlichen Überraschung, dass die Zuschauerzahlen rückläufig seien. Oder es für die eigenen Projekte keine öffentliche Unterstützung gibt. Wer die eigenen Leute nicht mitnimmt, am Ende auch nicht ernst nimmt, verliert das Recht, sich über eine ihm entgegenschlagende Gleichgültigkeit zu beschweren. Wir erleben das Phänomen, dass sich die Führung immer weiter in sich selbst zurückzieht, die Wagenburg festigt und sich nur noch von Gegnern umgeben sieht, die allesamt nicht verstehen wollen, wo die wirklichen Probleme liegen. Erinnert mich an den häufigsten Kommentar der ersten Jahre, „das haben wir unterschätzt“.

Unterschätzt wurde auch das Spiel gegen Karlsruhe.

Karlsruhe – hier stimmt so vieles nicht

Das Spiel gegen den KSC am letzten Heimspieltag der letzten Saison spiegelt bis heute so viele der Probleme wider, die uns seit Jahren begleiten. Persönlicher Einsatz von Burkhard Brüx, der Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle wurde zur Verabschiedung vieler verdienter Spieler, des Trainerteams und zur Erinnerung an die Aufstiegsmannschaft von 1989 ein stattliches Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, welches allerdings durch dramatische Fehler der Geschäftsführung zerschossen wurde. Karlsruhe wurde wieder einmal zu einem Hochrisiko-Spiel stilisiert, es ist schon erstaunlich, wie viele solcher Spiele in Münster im Vergleich zum Bundesdurchschnitt stattfinden.

Somit gab es massive Beschränkungen für Preußenfans bereits im Vorfeld, der negative Höhepunkt war die Herausgabe des Blocks K an die Gästefans. Dies geschah auch intern unter großem Protest, aber der wurde einfach weggewischt. Im Gegenteil, für diese Problematik gab es und gibt es bis heute keinerlei Bewusstsein, wie sehr dort Fans vor den Kopf gestoßen wurde. Wir erinnern uns, dass das Spiel im absoluten Chaos endete. Repressionen überall für die Fans des SCP, während Karlsruher während des Spiels den Innenraum enterten. Null Kritik auch im Nachgang von Preußen Münster, null Bewusstsein für die Problematik. Als nach dem Spiel ein Balljunge, ein minderjähriger Jugendspieler der Preußen, in Ausführung seiner Tätigkeit von einem Polizisten geschlagen wurde, blieb Preußen Münster stumm. Durch die öffentliche Debatte sah man sich gezwungen, ein allgemeines Statement auf der Homepage zu veröffentlichen, das sich aber fast ausschließlich mit den eigenen Fans beschäftigte. Während der schleppenden Aufklärung des Vorfalls schwiegen die Verantwortlichen. Als das Verfahren eingestellt wurde, schwiegen die Verantwortlichen. War das Thema schon wieder so weit weg? Allgemeines Desinteresse an Fanthemen? Oder sind sogar die selbst eingesetzten Jugendspieler den Verantwortlichen so unwichtig, dass sie keinerlei Rückendeckung bekommen?

Meine Einschätzung

Ich persönlich finde diese Entwicklung extrem bedauerlich, sie ist zudem unnötig wie ein Kropf. Zum Jahreswechsel stehen die Preußen schlecht da wie schon lange nicht mehr. Finanziell bleibt die Lage weiterhin angespannt. Der Konsolidierungskurs war wichtig und hilfreich, die Kommunikation dessen allerdings amateurhaft. In vielen Punkten sind die Preußen keinen Schritt nach vorne gegangen, während drumherum die Konkurrenz mit großen Schritten enteilt. Es fehlte zu Beginn des Umwandlungprozesses der notwendige Mut, es fehlten die Investoren und ihre Bereitschaft, ein überschaubares Risiko einzugehen. Zu dieser Saison nahm der Zerfall deutlich an Fahrt auf. Die Jugend kann den Sparkurs nicht mehr auffangen, die U19, die Schlüsselmannschaft im Übergang zum Seniorenfußball, steht genauso am Abgrund wie die erste Mannschaft. Bei beiden Teams gab es gravierende Fehlplanungen seitens der sportlich Verantwortlichen. Doch welche Konsequenzen werden gezogen? Die verwendete Sprache lässt darauf schließen, dass es keine geben wird. Eine Vertragsverlängerung wird angestrebt, eine wie auch immer geartete Aufarbeitung der schwachen Saison findet nicht statt. Von Pech ist die Rede, individuellen Fehlern. Aber niemand stellt die Weichenstellungen vor der Saison in Frage. Stattdessen wird Geld gesammelt, um die Fehler des Sommers wieder auszugleichen. Dass diese Aktionen keine Euphorie auslösen, liegt auf der Hand, zumal als Begleittöne der Trainersuche auf jeden Außenstehenden vertrauenszerstörend wirken. Wenn man es nicht einmal schafft, nach wochenlanger Suche und offensichtlich auch verursacht durch einen unvorbereiteten Trainerwechsel eine absolute Schlüsselposition zu besetzen, wird das Bild der Preußen eben nicht nachhaltig verbessert.

In wenigen Tagen finden Wahlen statt. Die Mitglieder stimmen über einen neuen Aufsichtsrat ab und geben damit auch Zeugnis über die vergangene Wahlperiode. In den letzten Jahren ist eine wirtschaftliche Konsolidierung gelungen, auf der anderen Seite wurde dafür ein tiefer Riss in die Fanszene verankert. Preußen dümpelt nach Scheitern der hochtrabenden Pläne in Richtung Regionalliga, Versprechungen wie Transparenz, Kommunikation, Satzungsänderung oder ein Leitbild wurden beiseitegeschoben, die Wände zwischen Führung und gemeinem Volk sind hoch wie selten. Kleine Schritte nach vorne wie der Shop in den Arkaden können nicht davon ablenken, dass der SC Preußen durch die schwache Kommunikation immer mehr auf das Abstellgleis gerät.

Das alles steht im Januar auch zur Wahl.

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Über den Autor

Martin Stadelmann begleitet den Verein seit Beginn der 2000-er Jahre. Zeitweise gehörte er zum Team des privaten PreußenTV. Seit 2018 betreibt er gemeinsam mit Carsten Schulte den Preußen-Podcast „Puls 1906“. Er engagiert sich in verschiedenen Arbeitskreisen oder Initiativen, die rund um den SC Preußen aktiv sind.

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