Reifeprüfung in Wiedenbrück?

Reifeprüfung in Wiedenbrück?

29. Juli 2022 0 Von Carsten Schulte

Wenn der SC Preußen Münster am Sonntag zum SC Wiedenbrück reist, wird auch eine Frage beantwortet: Besteht der SCP die Reifeprüfung? Kann sich die Mannschaft in diesem Jahr besser auf Teams einstellen, deren Spielweise ihr mutmaßlich nicht so liegt?

Sicher: Insgesamt hat sich der SCP in der abgelaufenen Saison gut geschlagen, 87 Punkte wurden dem Team nicht geschenkt, sondern waren hart und verdient erarbeitet. Die Frage nach der Reifeprüfung ist insofern auch eine auf hohem Niveau. Dennoch: Gerade mit Blick auf die knappe vergangene Saison und vermutlich auch mit Blick auf die aktuelle Saison, in der viele Mitbewerber auf Ausrutscher der Adler warten werden, kann die Antwort darauf interessant sein.

Denn schon im vergangenen Jahr tat sich der SCP in zwei Situationen schwer(er):

  • In den 8 Duellen mit den Topteams wie Essen, Wuppertal oder Fortuna Köln gingen viele Punkte flöten. Gegen die Top 5 der Liga gewann der SCP sportlich nur 3 Spiele (die am „grünen Tisch“ gewertete Essen-Partie einmal außen vor), holte 2 Unentschieden, verlor 2 Spiele.
  • Nähme man den SV Rödinghausen auf Platz 6 der Liga hinzu, fiele diese Bilanz noch schlimmer aus. Und Rödinghausen steht beispielhaft für die zweite Situation. Teams, deren kompakte, defensiv orientierte und bis an die Grenzen kämpferische Spielweise dem SCP die Nerven raubte. Homberg, Ahlen, Wiedenbrück. Das Trio zählte im vergangenen Jahr auch dazu.

Nun ist es nicht so, dass dem SCP sämtliche Punkte aus diesen Duellen verloren gingen (und auch Essen wurde teilweise von diesen Gegnern überrascht). Aber auffällig ist, dass in den Partien gegen solche Teams viele Punkte liegen blieben. Nur einen Punkt holte der SCP gegen Rödinghausen, auch Wiedenbrück war im Hinspiel beim knappen 1:0-Sieg ein schwerer Brocken, den der SCP nur dank eines Eigentores des SCW schlucken konnte. Und das Rückspiel, dieses 0:0, hat das Zeug zur Legende. So wie 9 Jahre zuvor das 0:3 in Unterhaching.

Mit dem Unentschieden (das dank des genial-irren Moments von Manuel Farrona Pulido nicht zum Feiertag wurde) verspielte der SCP letztlich den Aufstieg. Punkte und Tore gingen schon vorher verloren, aber an diesem vorletzten Spieltag der Saison trennte den SCP nur ein Tor vom Sieg und damit am Ende vom Aufstieg. Weil der SCP es nicht schaffte, das Wiedenbrücker Bollwerk zu durchdringen – wegen mangelnder Chancenverwertung, aber mehr noch, weil es der Mannschaft kaum gelang, gegen diesen unbequemen Gegner überhaupt Chancen zu erarbeiten.

Und das ist nun die Frage in der frühen Phase der Saison: Kann sich das Bild in diesem Jahr verändern? Kann sich der SCP besser einstellen auf die Teams, die eine zerstörerische Wirkung entfalten? Die weniger eine spielerische Linie anbieten, sondern ihr Heil eher darin suchen, dem SCP auf den Füßen zu stehen, Spielfluss und Kombination zu unterbrechen, kurzum: zu nerven? Von diesen Spielen gab es ja im vergangenen Jahr reichlich, aber in den meisten Fällen fand der SCP irgendwann eine Lücke.

Dass Wiedenbrück dem SCP 2013 auch mal eine schmerzhafte Westfalenpokal-Niederlage zufügte, ist dagegen eher vernachlässigenswert. Erstens hat der SCP über die Jahre viele schmerzhafte Pokalniederlagen kassiert (vor allem und immer wieder gegen den SV Rödinghausen, aber auch gegen Lotte), zweitens ist es ja eher müßig, Mannschaften und Situationen miteinander zu vergleichen, die 9 Jahre auseinanderliegen.

Insofern kann auch die Vorjahres-Bilanz ohne Belang sein: Die Mannschaft der Preußen wurde weithin verändert, neues Spiel, neues Glück, was auch immer. Aber dennoch gilt: Unbequeme Gegner sind unbequeme Gegner. Wird es besser werden?

Der SC Wiedenbrück

Ex-Preuße Ousman Touray hat den SCW nach nur einer Saison bereits verlassen. Er spielt nun in der Nord-Staffel für Atlas Delmenhorst. Auch auf ein erneutes Eigentor von Bjarne Pudel kann der SCP nicht setzen … er spielt nun für den BVB II. Benedikt Zahn dagegen ist noch immer beim SCW, fehlte aber beim Saisonauftakt in Düsseldorf. Dort gewann Wiedenbrück mit 2:1, stand phasenweise aber unter Druck und rettete am Ende den Auswärtssieg auch dank einer starken Torhüter-Leistung.

Bei den Neuzugängen hielt sich Wiedenbrück einigermaßen zurück. Mittelfeldspieler Nils Kaiser wurde von RW Essen ausgeliehen. Innenverteidiger Takahito Ohno kam aus der Mittelrheinliga vom BC Viktoria Glesch-Paffendorf. Mittelfeldspieler Luca Kerkemeyer wechselte aus Lippstadt an die Rietberger Straße, Rechtsaußen Phillip Aboagye kam aus Wuppertal, gehörte dort aber trotz 29 Spielen (5 Tore) nicht zur Stammelf, wurde in 22 Spielen eingewechselt). Auf der rechten Seite spielt nun Bahattin Karahan, er kam vom Südwest-Regionalligisten FSV Frankfurt, wo er in der vergangenen Saison als Einwechselspieler 26 Partien machte. Offensiv hat Wiedenbrück ebenfalls nachgelegt: Der 22 Jahre alte Mittelstürmer Emre Aydinel kam von den Sportfreunden Lotte, wo er 33 Partien (3 Tore) machte.

Der Klub entstand im Jahr 2000 nach einer Fusion der beiden Klubs Eintracht Wiedenbrück und Westfalia Wiedenbrück und spielte bis 2015 unter dem Namen „SC Wiedenbrück 2000“ fast immer in der Regionalliga. 2019 stieg der Klub in die Oberliga ab, wurde aber im ersten Corona-Jahr nach Abbruch der Saison zum Aufsteiger erklärt. Seitdem spielt das Team wieder in der Regionalliga. Seit Januar 2020 ist Daniel Brinkmann Trainer, er war beim SCW bis zu seinem Start als Trainer als Spieler im Einsatz (zwischen 2017 und 2020). Der ehemalige Profi kam auf 15 Bundesligaspiele für Augsburg und über 140 Zweitligaspiele für Cottbus, Augsburg, Aachen und Paderborn.

Daniel Brinkmann, Trainer SC Wiedenbrück.