Kommentar: Der DFB hat den Verstand verloren

Kommentar: Der DFB hat den Verstand verloren

12. Juli 2024 13 Von Carsten Schulte

Irgendwann mal muss der Deutsche Fußball-Bund (DFB) falsch abgebogen sein. Anders ist einfach nicht mehr zu erklären, was dem SC Preußen Münster da nun wieder auf den Tisch flatterte. Tatsächlich bestrafte der Verband den Platzsturm nach dem Aufstieg des SCP gegen Unterhaching. Man fasst es einfach nicht mehr. Ein Kommentar.

Genau 11.360 Euro muss der SC Preußen Münster an den Verband überweisen. Offiziell bestraft wurden damit verschiedene Vergehen von Preußenfans beim Aufstiegsspiel gegen Unterhaching. Im Detail: Das Abbrennen von „mindestens drei Rauchkörpern (…), wodurch sich der Spielbeginn kurzzeitig verzögerte. Während der Begegnung wurden mindestens zwei weitere Rauchkörper und vier Bengalische Feuer gezündet.“ Man könnte über diese Gründe hinwegsehen, die Strafen dafür sind ja bekannt und am Ende dann eben hinzunehmen. Okay. Doch dann wird es wild.

Denn der DFB schreibt weiter: „Zahlreiche Münsteraner Anhänger (überstiegen) kurz vor dem Abpfiff den Begrenzungszaun zum Innenraum. Zeitgleich drängten Zuschauer aus den oberen Bereichen nach unten, sodass sich der Druck auf die weiter unten stehenden Zuschauer steigerte. Daraufhin wurden während des noch laufenden Spiels drei Fluchttore geöffnet und zahlreiche Münsteraner Anhänger liefen in den Bereich zwischen der Bande hinter dem Tor und des Zuschauerblocks. Unmittelbar mit dem Abpfiff stürmten die Münsteraner Anhänger sodann das Spielfeld, wobei mindestens zwei weitere pyrotechnische Gegenstände gezündet wurden.“

In der Regel akzeptiert der SC Preußen solche Strafen. Hier allerdings nicht sofort. Denn der DFB hatte eigentlich mehr als 13.000 Euro aufgerufen, wovon alleine 10.000 Euro auf den Platzsturm entfielen. Das hatte der SCP nicht hingenommen.

Der Klub schreibt: „Wir haben gegen den Erstbescheid Einspruch eingelegt und uns gegen dieses Urteil zur Wehr gesetzt, weil wir der Argumentation des DFB nicht folgen können. Einen friedlichen Platzsturm in außergewöhnlichen Momenten wie einem Aufstieg in die 2. Bundesliga als unsportliches Verhalten der Fans einzustufen, hat bei uns ein klares Störgefühl ausgelöst. Wir verstehen es als Teil des Fußballs und der Emotionen, die diesen Sport auszeichnen und in solchen Momenten quasi unvermeidlich sind”, so Geschäftsführer Markus Sass in der Klubmitteilung. Zudem gelte: „Wir haben uns im Vorfeld des Spiels gegen Unterhaching natürlich mit dem Szenario eines friedlichen Platzsturms auseinandergesetzt und uns darauf bestmöglich vorbereitet. Die schlussendliche Öffnung der Tore erfolgte geordnet und in Absprache mit der Polizei. Unsere Fans haben diszipliniert den Abpfiff des Spiels hinter der Werbebande abgewartet und dann friedlich auf dem Rasen den Aufstieg gefeiert.“

Der Klub zitiert in seiner Stellungnahme auch aus der Begründung des DFB. Und die liest sich nun wirklich haarsträubend: „Eine Platzinvasion mit einer Vielzahl von Personen – noch dazu unter Einsatz von Pyrotechnik – birgt hohe Risiken und erhebliche, nicht abschätzbare Gefahren für Leib und Leben von Spielbeteiligten und anderer Personen, auch wenn dies mit hohen Emotionen in Freude über den Aufstieg und ohne grundsätzliche Gewaltbereitschaft erfolgt. Solche Massenbewegungen in hoher Ekstase sind schon nach objektiver Bewertung nicht hinreichend sicher kontrollierbar, extrem gefährlich und können sehr schnell in gefährliche Bedrängungs- und Gewalthandlungen umschlagen.“ Weiter heißt es: „Eine weitere Reduzierung ist aber selbst bei wohlwollender Betrachtung nicht möglich, zumal der Verein offenbar nicht einmal einen einzigen Täter ermittelt bzw. namhaft gemacht hat, was ihn als zentrale Pflicht trifft.“

Wie ein Aufstiegsjubel hier als „extrem gefährlich“ und mit einem hohen Risiko zur „Gewalthandlung“ bewertet wird, ist mit menschlichem Fassungsvermögen kaum noch darstellbar. Am schlimmsten wirkt allerdings die DFB-Wertung von „Tätern“. Täter! Man muss sich dieses Wort auf der Zunge zergehen lassen. Die höfliche Umschreibung für eine solche Wertung könnte den Tatbestand der Beleidigung erfüllen. Aber dieser DFB ist nicht mehr zu retten. Die tausende friedlich feiernde Preußenfans auf dem Platz sind nun Täter, deren Verhalten zu „ermitteln“ gewesen wäre.

Zwar will der SCP grundsätzliche Sicherheitsrisiken bei einem Platzsturm zugestehen – doch die Begründung und Logik des DFB ist schwer erträglich. Man fragt sich, welche Art von Emotionen ein Zweitligaaufstieg denn zulässig erzeugen dürfte, ohne mit den Vorstellungen des DFB zu kollidieren? Konfetti und Luftschlangen auf den Rängen? Dazu das gemeinsame Absingen von „Kumbaya“? Was ist nur los mit dem DFB? Oder der Gesellschaft gleich im Ganzen, wenn ein spontaner (und erwartbarer) Jubel über einen Aufstieg als extrem gefährlich eingestuft wird?

Man kann nur zum Schluss kommen, dass der DFB den Verstand verloren hat. Komplett und ersatzlos.