Irres Ende: Preußen Münster jubelt zum Schlusspfiff

Irres Ende: Preußen Münster jubelt zum Schlusspfiff

14. August 2021 3 Von Carsten Schulte

Am Ende war es nur noch Bangen, Hoffen, Daumendrücken. 45 Minuten lang war der SC Preußen Münster in der zweiten Halbzeit gegen Alemannia Aachen angerannt, hatte alles versucht, aber das Tor wollte nicht fallen. Aber in der 93. Minute war es soweit.

Was war das für ein Finale! Als vor einer Woche Wolfsburg in der 90. Minute traf, war das ein Partycrasher. Diesmal machte es der SCP selbst, noch drei Minuten später, erst in der 93. Minute. Aber dafür mit noch mehr Verve, Entschlossenheit und Jubel. Als Jannik Borgmann zum 2:1 traf, da hielt es niemanden mehr auf den Sitzen. Weder die Fans noch die Betreuer und Trainer und Spieler vor der Tribüne. Da war Party pur an der Eckfahne, reine Ekstase. Die Belohnung für ein unfassbares Anrennen, für Leidenschaft und Wille.

Und eben jener Jannik Borgmann war vor dem Spiel in die Mannschaft gerückt, weil Marvin Thiel ausgefallen war. Borgmann, der überhaupt erst drei Tore für den SC Preußen gemacht hat (zwei gegen Fortuna Köln, eines im Westfalenpokal), hielt einmal seinen Fuß hin und schob zum 2:1 ein. Fast nicht mehr erhofft, mehr ersehnt. Aber da war es.

Borgmann war die erwartete Änderung, ansonsten spielte der SCP am Samstag mit im Grunde jenem Team, das man erwarten konnte. Und dieses Team startete eigentlich recht gut in die Partie. Nach 3 Minuten gab’s den ersten Eckball für den SCP, nach 6 Minuten übten Jules Schwadorf und Nicolai Remberg den Doppelpass, aber Schwadorfs Schuss wurde von Aachens Hintermannschaft im Strafraum weggeblockt – das war alles schon ganz gut.

Aber Aachen meldete sich dann mit einem Schuss von Christian Gartner auch im Spiel an (7.). Und von da an war es eine offene Partie. Münster tat sich sichtlich noch schwer, Ordnung in das Spiel zu bekommen. Hier und da gab es gute Szenen: Borgmanns Kopfball nach 11 Minuten beispielsweise verfehlte das Tor nur knapp. Doch die Führung für die Gäste fiel überraschend: Nach einem Eckball rutschte der Ball irgendwie durch die Abwehr, am kurzen Pfosten verhinderte das niemand, in der Mitte fiel der Ball Tjorben Uphoff mehr vor die Beine als dass er bewusst geschossen hätte – aber dann war der Ball drin, das 0:1 nach 13 Minuten.

1. Spieltag 2021/2022: Preußen Münster gegen Alemannia Aachen. Jubel nach dem 1:0 für Aachen.

Dass dieser Treffer nicht hätte zählen dürfen, weil Aachen vorher wohl dick im Abseits gestanden hatte? Pech.

Das Tor gab Aachen Sicherheit und Zuversicht und es irritierte den SCP spürbar. Und trotzdem war Münsters Qualität groß genug, um weitere Szenen zu erspielen. So wie nach 16 Minuten, als Borgmann (ja, immer wieder Borgmann), ein Zuspiel von Schwadorf am Pfosten vorbeischob. Während die Alemannia auf dem Feld durchaus in Sachen Ballbesitz gleichauf war, kamen die Gäste kaum zu echten Chancen oder Abschlüssen. Die Preußen dagegen sehr wohl.

Nach 24 Minuten verpasste Jan Dahlke nach Schwadorfs Freistoß das 1:1, dann versuchte es Remberg vom Strafraumeck – weit über das Tor. Dann erneut Dahlke nach einer kurzen Ecke, doch auch hier blieb der Stürmer aus 20 Metern erfolglos.

Dennoch belohnte sich der SCP noch vor der Pause. Nach 40 Minuten legte Schwadorf im Strafraum den Ball nach links raus, dort stand Thorben Deters, nahm Maß und schlenzte den Ball rechts ins lange Eck. Ein wunderbares Tor, das 1:1 kurz vor der Pause, alles wieder in Ordnung. So ging es dann in die Halbzeit.

Spieltag 2021/2022: Preußen Münster gegen Alemannia Aachen. Jubel nach dem 2:1 durch Thorben Deters.

In der Kabine musste Sascha Hildmann wohl wieder die richtigen Wort gefunden haben. Denn die zweiten 45 Minuten (plus 3 Minuten Nachspielzeit) gehörten dem SCP und nur dem SCP. Gästetrainer Patrick Helmes meinte später zwar noch eine ausgeglichene Phase gesehen zu haben, aber im Stadion sah man nur ein Team spielen. Der SCP rannte an, er drückte Aachen defensiv rein, er hatte die totale Kontrolle. Aber er hatte nur ein Tor.

Die Chancen in der zweiten Hälfte aufzuzählen, wäre übertrieben. Fast minütlich kam der SCP zu irgendwelchen Abschlüssen oder guten Szenen. Aachen kam kaum mehr strukturiert aus seiner Hälfte heraus. Die zweite Halbzeit war ein Spiel auf Zeit. Würde es reichen oder nicht? Eine Frage, die für beide Teams galt …

Dass Schwadorf eine der besten Szenen etwas zu artistisch vergab? So ist er eben. Sein Heber frei vor Torwart Joshua Mroß war eigentlich unnötig, da hätte sich viele andere Möglichkeiten gegeben. Dann scheiterte Julian Schauerte mit einem Torschuss, dann zwang Deters Mroß zu einem Fehler und zu einer Ecke.

Sascha Hildmann reagierte, baute um. Brachte Deniz Bindemann und Gerrit Wegkamp nach 58 Minuten für Jan Dahlke und Thorben Deters. Mehr Offensivpower für den SCP.

Eine der ganz, ganz wenigen Aachener Szenen parierte Max Schulze Niehues nach 61 Minuten – da scheiterte Mergim Fejzuhallu am Preußen-Keeper. Doch dann wieder der SCP: Langlitz verfehlte das Tor (65.), Borgmann bekam nicht genug Druck hinter den Ball (68.), Schauerte traf nur den Außenpfosten (69.), Bindemann setzte einen schönen Ball nur oben aufs Tornetz (70.). So ging das die ganze Zeit.

Für den nun müden Schwadorf kam der Ex-Aachener Joshua Holtby, dann musste auch Simon Scherder raus. Im Zweikampf bekam er Stollen oder Knie des Gegners auf die Knochen, wollte das erst rauslaufen, musste dann aber einsehen, dass es nicht mehr ging. Für ihn rückte Dennis Daube von der Sechs zurück in die Defensivkette, Henok Teklab kam und brachte Tempo für die linke Seite mit.

Und kaum war Teklab drin, da bediente er schon grandios Alexander Langlitz, der per Kopf aus acht Metern scheiterte (87.)! Und erneut Teklab setzte dann Schauerte klasse ein, doch auch der traf nicht (89.). Und schließlich scheiterte Teklab selbst mit einem scharfen Schuss aus der Distanz knapp! Es war wirklich zum Verrücktwerden!

Die Minuten verrannen, die Zeit lief davon. Und dann kam Jannik Borgmann und sein Fuß und nur noch Jubel. Der erste Saisonsieg ist eingefahren, was für ein wichtiger Sieg und gleich ein doppelter Erfolg: Drei Punkte gewonnen und die Erfahrung erneuert, dass ein Spiel eben so lang dauert, wie es dauert. Das Mantra des Trainers, der sich einmal mehr bestätigt sah.